ten die fünf eulogianischen Gemeinden, die auf dem Terri-

torium des Reiches verblieben waren, in den Bestand der

Diözese vonB e r l i nundD e u t s c h l a n dein, wobei sie jedoch

ihre Zugehörigkeit zur Jurisdiktion des Metropoliten Evlo-

gij beibehielten, dessen Vikarbischof, Sergij, das Recht zur

Ernennung der Priester für die eulogianischen Gemeinden

behielt. Der Kompromiß erwies sich dank der Haltung von

Erzbischof Seraphim als tragfähig....Schon im D ezember
1938 schloß Erzbischof Seraphim eine Ve r e i n b a r ung mit

derBruderschaft

desheiligenApostelgleichenFürsten

V l a d i m i r. Diese Ve r e i n b a r ung stellte ebenfalls einen Kom-

p r omiß dar. Ein bedeutender Teil des russischen Kirc h e n -

eigentumsinD e u t s c h l a n d, der der Bruderschaftgehörte,

bliebihrerhalten. DerBischoferhieltdasRechtzurEr-

nennung

der

Priester

für

die

Kirchen

der

Bru d e r -

schaft,

aber

mit

Zustim-

mungvonderenLeitung.

Dab eiwurdedieserKom-

p r omiß

erzielt,

nachdem

die Bruderschaft unter dem

D r uck der Nazis die Ve r t r ä -

gemitdeneulogianischen

Gemeinden überdieMiete

der ihr gehörenden Kirc h e n

gekündigt hatte.

Die

Ausdehnung

der

Diözese

von

B e r l i n

u n d

79

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Metropolit Seraphim, Leiter der
deutschen Diözese in den Jah-
ren 1938-1950

D e u t s c h l a n dauf die von den Deutschen eroberten Länder

entsprach in keiner Weise den Bestrebungen des Erzbi-
schofs selbst, seit 1942 – des Metropoliten des Mitteleu-

ropäischenMetro p o l i t a n k reisesSeraphim(Lade),son-

dern stelltedie politische Liniedes Kirc h e n m i n i s t e r i u m s

d a r , diemitanderen Behörden abgestimmtwar, in erster

Linie mit der Hauptverwaltung der Reichssic herheit. Die

Dokumente zeigen deutlich, daß für Erzbischof Seraphim

dieErfüllung seiner Pflic htenalsHauptderGemeinden

auf dem gesamten Gebiet des besetzten Polen in den Jah-
ren 1939-1940 ein erzwungener Schritt war und er je-

derzeit bereitwar, diese Vollmachten aufzugeben und die

Leitung an Metropolit Dionisij zurückzugeben. Erzbischof

Seraphimmachte auch zu keiner Zeit Gebrauc h von den

ausgedehnten Vollmachten zur Aufsicht über die eulogia-
nischen Gemeinden, die er nach der Ve r e i n b a r ung vom 3.
November 1939erhielt....

Nach der Besetzung Belgiens befreite ErzbischofSera-

phimbuchstäblich von der GestapodasHauptder eulo-

gianischen

RichtunginBelgien,

Erzbischof

A l e x a n d e r

(Nemolovskij) von Brüssel, übernahm die Haftung für ihn,

siedelte ihn bei der russischen Kirche in Tegel an und re t -

tete ihn auf diese Weise.

ErzbischofSeraphim unternahm allesnur erd e n k l i c h e ,

um

dieErlaubnis

zum

Besuch

sowjetischerKriegsge-

fangenerdurc h russische Priesterzuerhalten,versuchte

das bestehende Verbot zu umgehen und tat alles Mögliche,
um sie zu unterstützen. Im Mai 1944 gelang es ihm, die

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Erlaubnis zum Besuch der „Ostarbeiter“-Lager –A r b e i t e r ,

die aus der UdSSR nachD e u t s c h l a n dverschleppt wurd e n
– durch15Priesterder Diözese vonB e r l i nundD e u t s c h -

land zu erhalten.

Zusammenf assend kann man sagen, daß in der Politik

derNaziregimeshinsichtlichderrussisc henorthodoxen

Gemeinden inD e u t s c h l a n ddeutlichzweiin vielemge-

gensätzliche Perioden zu verzeic hnen sind, deren Gr e n z e
im April-Juli 1941 verläuft. Die erste Periode kennzeich-

netdas Streben nach Manipulierung der öffentlichen Mei-

nung, nach propagandistischer Mystifikation, worauf die

NaziswederKräfte noc h Mittel sparten. Die zweite, mit

dem totalen Krieg um die Weltherrschaft zusammenhän-

gende, charakterisieren die Versuche zur völligen Isolation

der russischen Geistlichkeit in der Emigration von den Er-

eignissen an der Ostf rontund ihren gefangenen und zur

Arbeitins Reich verschleppten Volksgenossen. Beide Peri-

oden verbindetder Wunsch der Nazis, sich die ru s s i s c h e

orthodoxe Gemeinschaft unterzuordnen, sie zu einer höri-

genWa ffe derInnen-undAußenpolitik desRegimeszu

mac hen. Esgelang nicht, dasLetzterezuverwirklichen,

w ä h r end

die

eulogianische

Geistlichkeit

undGem ein-

demitglieder die starke Fähigkeit zum Widerstand demon-

strierten. Die vorliegende Untersuchung kann nichtA n t -

worten auf alle Fragen geben, die im Zusammenhang mit

derbesagten Prob lematik auftauchen, sodaßein gro ß e s

FeldunddieNotwendigkeitzu weiteren Nachforschun-

gen bleibt.“

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Soweitdie Arbeiteinesneutralenrussischen Wi s s e n -

schaftlers, derinseinerEinschätzungnachA u s w e r t u n g

dervollständigen Aktenbestände bestätigt, daß dieA u s -

l a n d s k i r che nic ht Täter, sondern Opfer der nationalsozia-

listischenKirchenpolitikgewesenist.Hinzufügenkann

man noch, daß die Diözese von B e r l i n und D e u t s c h l a n d
nur eine Diözese der A u s l a n d s k i r che war, die übrigen 23

Diözesen und damit ihre Bischöfe, Geistlichen und Gläu-

bigen lagen außerhalbdesMachtbereichs derNazis. Zu-

mindest

nachA u s b r uch

desII.Weltkrieges

wäreeine

„Kollaboration“mitdenNazisfürdieseBisc höfeund

GeistlichenHochverratgewesen.D ieursprünglichvon

kommunistischer Seite ausgehende und von einigen Wi s-

senschaftler untermauerte These einer pauschalen Koope-

ration derA u s l a n d s k i rche mitdem Naziregime istdaher

nichtnur unwissenschaftlich,sondernunverantwortlich

und boshaft.

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